Nicht immer ist es der Paukenschlag - wie ein blaues Auge. „So fing das dann an“, erinnert sich Ricarda C. (34) an ein sichtbares Zeichen ihrer Beziehung „zum falschen Mann, den sie ins Haus ließ“, wie sie es formuliert. Ricarda C., die damals im Maßregelvollzug arbeitet, spricht von physischer und psychischer Bedrohung, diversen Übergriffen. „Nach vier Monaten habe ich ihn rausgeworfen, erst dann habe ich realisiert, was passiert ist.“ Angstzustände, Alpträume, Schlafprobleme stellen sich ein. „Nachts, bei Geräuschen in der Wohnung, habe ich aufgehört zu atmen.“
Manchmal indes passiert es auch schleichend. „Subtil, unterschwellig“, beschreibt es Marion S. (58). Übergriff für Übergriff. Jung ist sie, als sie schwanger wird und die Beziehung beginnt. Klar, ist da der Gedanke, „das kann so nicht normal sein“, die Demütigungen, die Gewalt. Nach 5 Jahren Ehe das erste Mal Panikattacken, Angststörungen und Depressionen. „Es gab auch immer wieder gute Phasen, nach außen hin war er so charmant.“ Sie bleibt, selbst als ihre Töchter missbraucht werden. „Ich habe den Absprung 38 Jahre lang nicht geschafft“, sagt sie heute. Irgendwann dann doch der Schlussstrich. „Endlich ein freier Kopf, dann kommt so vieles hoch. Wenn man Zeit hat, sich damit auseinanderzusetzen. Ein Jahr nach der Trennung wurde mir das ganze Ausmaß wirklich bewusst, ich bin immer noch in Therapie.“
Ricarda stellt Strafantrag, ihr Ex-Partner wird schuldig gesprochen. Heute trägt sie ein Tattoo: eine Frau, der Flügel wachsen. Aufgrund ihrer Erfahrung will die Heilerziehungspflegerin anderen helfen, ist aktive Opferhelferin.
Marion hat ihre Geschichte mittlerweile öffentlich gemacht. Nicht immer leicht, im kleinstädtischen Gefüge, weiß die Mutter dreier Kinder. Aber es ist ihr Weg. So will sie es, sagt sie, während sie ihre Halskette, an der ein kleiner Phönix glänzt, berührt. „Der Schritt nach außen hat mir sehr geholfen, mich nicht mehr dafür zu schämen, dass ich diesen Menschen noch geschützt habe, indem ich schwieg.“
Beide Frauen möchten andere Betroffene stärken, Austausch finden, gemeinsam eine Selbsthilfe-Gruppe für Opfer toxischer Beziehungen gründen. Gruppenort wäre Steinfurt-Borghorst. Das Netzwerk Selbsthilfe und Ehrenamt unterstützt die Gründung dieser Gruppe. Interessierte können sich melden unter Tel 0 25 72 – 9 60 16 84 oder per E-Mail an: netzwerk-steinfurt@paritaet-nrw.org.